Ein wenig älter, aber nicht minder stolz
An der Schule für Erwachsene in Dreieich gab es gleich doppelten Anlass zum Feiern. So bekamen 23 Absolventen ihre Abiturzeugnisse überreicht, und die Schule beging ihr 50-jähriges Bestehen.In diesen Tagen verabschieden sich im kompletten Kreis Offenbach Hunderte von Abiturienten mit dem Abschlusszeugnis in ihre Zukunft. In Dreieich, im Haus des Lebenslangen Lernens (HLL), gibt es ebenfalls eine Gruppe von Abiturienten, die vielleicht nicht ganz so jung sind wie ihre Kollegen, aber mindestens genauso so stolz auf ihr Abschlusszeugnis.
Harald Höfner, Leiter der Schule für Erwachsene, überreichte in einer Feierstunde im Sprendlinger Bürgerhaus 23 Frauen und Männern seiner Schule das Abiturzeugnis. Einer von ihnen ist Jafet Tedros, ein gutes Beispiel für die zum Teil besonderen Lebenswege, welche die Schüler der Schule für Erwachsene gehen. Der Sohn eritreischer Einwanderer verdiente sein Geld als Umzugshelfer. „Die Reaktionen auf meinen Plan, an der Abendschule das Abitur nachzuholen, waren überwiegend kritisch und skeptisch. Nicht viele in meinem Umfeld haben Abi. Einige haben mir das wahrscheinlich auch nicht zugetraut“, berichtet der gut gelaunte junge Mann.
Den nötigen Biss
Sein Ziel sei es, eine Ausbildung als Bankkaufmann oder Industriekaufmann zu machen. Mit einem Haupt- oder Realschulabschluss sei das nicht mehr möglich, sagt Jafet Tedros. Zwei Dinge hält er für besonders wichtig, um erfolgreich zu sein: „Man muss seine Zeit sehr gut planen können und braucht den nötigen Biss. Denn es ist schon sehr hart, zur Schule zu gehen oder zu lernen, wenn du weißt, dass die anderen nach der Arbeit im Schwimmbad sind und sich dort die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.“
Zusammen mit der Abiturfeier beging die Schule für Erwachsene auch ihr 50-jähriges Bestehen. In den ersten Jahrzehnten besuchten vor allen Dingen Menschen die Schule, die eine Ausbildung absolviert hatten oder vom Elternhaus her kein Abitur machen durften und nun den akademischen Aufstieg anstrebten. Heute haben 65 Prozent der Studierenden, wie die Schüler der Abendschulen genannt werden, einen Migrationshintergrund, und die meisten von ihnen sind männlich. Auch der berufliche Druck, der auf den Absolventen lastet, ist mittlerweile oft ein anderer. Das Abitur ist notwendig, um überhaupt einen qualifizierten Beruf ergreifen zu können.
Sorgen um die Zukunft
2936 Studierende haben in den vergangenen 50 Jahren zunächst auf dem Abendgymnasium Neu-Isenburg und später an der Schule für Erwachsene Dreieich ihr Abitur und 792 ihr Fachabitur gemacht. 2009 zog die Schule von der Hugenottenstadt in das HLL in Sprendlingen um. Die Schule für Erwachsene hat im Laufe ihrer Geschichte vielen Menschen einen Weg in ein überaus erfolgreiches Berufsleben geebnet. So gehören etwa Franz-Josef Theis, Chefarzt und Leiter einer gefäßchirurgischen Klinik in Neuwied, oder Kai Hoffmann, Büroleiter der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, zu den ehemaligen Schülern.
Und doch gibt es Sorgen um die Zukunft dieser Schulform, die vielen Menschen eine zweite Chance bietet. So sollen nach dem Willen der Landesregierung die Klassen immer größer werden, und die Abendgymnasien dasselbe Abitur machen wie die Tagesschulen. „Wie soll das gehen? Die Schule ist nicht der Lebensmittelpunkt der Schüler, sondern ganz im Gegenteil, sie müssen und sollen neben der Schule arbeiten. Dennoch wird in Zukunft im Zentralabitur von ihnen derselbe Stoffumfang erwartet wie auf den Tagesschulen“, beklagte sich Walter Schröder, jahrzehntelanger Leiter der Schule für Erwachsene.
(njo)